von Johann Lauer
Vulgärmarxistisches Framing beherrscht seit Jahren soziale und wirtschaftliche Kontroversen; Infantilisierung und Polarisierung des Diskurses sind die Folgen. Kapitalismus (Marktradikalismus) oder Sozialismus (Staatswirtschaft) werden als die einzig möglichen Alternativen angeboten. Dies gilt nicht für den Diskurs über die Wohnungspolitik, sondern auch für die praktische Politik. Die Berliner Wohnungspolitik wird von sozialistischen im Verbund mit kapitalistischen ›Heuschrecken‹ gestaltet. Das Ergebnis ist eine sowohl teure als auch schlechte Versorgung mit Wohnraum. Berlin hat europaweit die niedrigste Wohneigentumsquote (14,2 Prozent in den osteuropäischen EU-Ländern liegt sie zwischen 78,5 und 96,8 Prozent), was Armut und Ungleichheit aufgrund von fehlendem Wohneigentum bedingt.
Eine adäquate Wohnungsversorgung ist erreicht, wenn 70 bis 90 Prozent der Haushalte Wohneigentum besitzen. Ein Anteil von circa 10 Prozent an sozialem Wohnraum für Bedürftige ist ausreichend, den Rest können private Wohnungsunternehmen anbieten. Wohneigentum trägt am besten zur Verbesserung der Vermögenssituation breiter Bevölkerungsschichten bei. Ungleichheit kann dann am wirkungsvollsten vermieden werden, wenn die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Wohneigentum erwirbt.
Lage am Wohnungsmarkt
Die Privatisierung nach dem Fall des Kommunismus in Ost- und Südosteuropa hat zu vielen Verwerfungen geführt. Ein Teil der sozialistischen Apparatschiks, geld- und machtgeile rote Barone, haben gemeinsam mit westlichen, geldgierigen Kapitalisten den Teil des Volksvermögens geradezu verscherbelt, der noch irgendwie brauchbar war, mit einer Ausnahme: Die Privatisierung der Wohnungen verlief geradezu vorbildlich, diese Länder wurden zu ›Super-Wohneigentumsländer‹ gemacht. Der einzige Wermutstropfen ist, dass die roten Barone sich auch bei den Wohnungen die Filetstücke angeeignet oder über existierende Seilschaften verteilt haben.
2017 lag die Wohneigentumsquote in drei ehemaligen sozialistischen Länder sogar bei über 90 Prozent: Rumänien 96,8, Kroatien 90,5, Slowakei 90,1. Nur bei zwei Ländern, die mittlerweile alle in der EU sind, war die Quote unter 80 Prozent: Tschechien 78,5 und Slowenien 75,6. Bei allen anderen lag sie dazwischen: Litauen 89,7, Ungarn 85,2, Polen 84,2, Bulgarien 82,9, Estland 81,8, Lettland 81,5.
Der Durchschnitt in der EU-28 lag 2017 bei 69,3. Auch in den OECD-Ländern ist der Durchschnitt ähnlich. Die Schlusslichter bilden die deutschsprachigen Länder, allein diese Länder hatten weniger als 60 Prozent: Österreich 55, Deutschland 51,4, Schweiz 41,3. Die sogenannte Wohneigentumsquote bildet das Verhältnis zwischen der Anzahl der Haushalte, die Wohneigentum gebildet haben, zur Anzahl der betrachteten Gesamthaushalte ab. Das Statistische Bundesamt erfasst lediglich die selbstgenutzte eigene Immobilie. Diese Eigentümerquote betrug 2014 45,5 Prozent der deutschen Haushalte, der Rest sind Mieterhaushalte.
Die Wohneigentumsquote, vor allem aber die Eigentümerquote ist sicherlich sehr stark von der Urbanisierung geprägt, je größer die Städte je geringer die Eigentums- oder Wohneigentumsquote, diese Situation dürfte in allen Bundesländern ähnlich sein, so beträgt sie in München 25,3, Hamburg 22,6, Berlin 14,2 Prozent. Wobei seit 2008 eine deutliche Steigerung nicht zuletzt aufgrund der Finanzkrise und jetzt auch der enormen Steigerung der Mietpreise stattgefunden hat.
In Deutschland muss darüber hinaus noch zwischen Ost und West unterschieden werden. Ganz anders als in den ehemals sozialistischen Ländern ist die Situation in den neuen Bundesländern, hier ist die Eigentümerquote geringer als im Westen, weil es keine soziale Privatisierung an die Mieter gab. Später wurden hunderttausende Wohnungen einfach abgerissen. Allein von 2004 bis 2013 wurden im Rahmen des ›Stadtumbau-Ost‹ über 284 609 Wohnungen zerstört.
Aufgrund dieser Struktur ist der Wohnungsmarkt in Deutschland volatil und anfällig für extreme Verwerfungen. Ein ›Schweinezyklus‹, d.h. die periodische Schwankung der Angebotsmenge und des Marktpreises, im Immobiliensektor ist die Folge, da keine effiziente Steuerung von Angebot und Nachfrage möglich ist. Dies führt dazu, dass bei fehlender Nachfrage die Preise extrem fallen, sodass teilweise Wohnungen zerstört werden. Danach steigt die Nachfrage und somit auch die Preise; dann wird zu viel gebaut, sodass der Schweinezyklus von Neuem beginnt. Genau dies ist in Deutschland seit Jahrzehnten zu beobachten: Ein echter Schildbürger-Staat ist die Folge. Das extremste Beispiel ist das überschuldete Land Berlin. Je höher der Anteil an selbstgenutztem Wohnraum ist, je weniger volatil ist der Immobilienmarkt, da Angebot und Nachfrage nach Wohnraum zeitnah befriedigt werden können, so dass abrupte Veränderungen eher unwahrscheinlich werden.
Warum ist der Mieteranteil in Deutschland nicht nur im Vergleich zu Ost- und Südeuropa, sondern auch im Vergleich mit den angelsächsischen Ländern so hoch? Es liegt nicht an anders gelagerten kulturellen Präferenzen, da der Wunsch nach Eigentum in Deutschland genauso groß ist wie zum Beispiel in den USA, dies stellte Sebastian Kohl fest, der die Wohnungsmärkte verglichen hat.
Meiner Meinung nach spielt in Deutschland die Wohnungspolitik der SPD eine zentrale Rolle sowie vor allem in den neuen Bundesländern die ehemalige SED. Die SPD hat sich im Gegensatz zu sozialdemokratischen Parteien in skandinavischen und südeuropäischen Ländern nicht für Wohneigentum für Arbeiter ausgesprochen. Die kontinentalen sozialdemokratischen Parteien hielten sich diesbezüglich zurück, eine Ausnahme sind die niederländischen Sozialdemokraten, die seit den 1990er Jahren Wohneigentum als sozialpolitische Kernforderung vertreten.
Die SPD hat sich vor allem für öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbau eingesetzt. Daher wurden auch diese Wohnformen dort, wo die SPD regierte, vor allem in Großstädten und in NRW, vorangetrieben. Dies geschah mit durchwachsenem Erfolg. Auf der einen Seite wurden sehr viele Sozialwohnungen gebaut und damit die Wohnungsnot breiter Bevölkerungsschichten nach dem Krieg gelindert. Auf der anderen Seite gab es in den 80er Jahren die Pleite der Neuen Heimat, die damals der größte genossenschaftliche Wohnunternehmer war und dem Deutschen Gewerkschaftsbund gehörte. Auf der Negativseite steht auch der Verfall vieler öffentlicher Wohnungssiedlungen, insbesondere in den Großstädten und in NRW.
Heute träumen Sozialdemokraten und linke Parteien vom ›Modell Wien‹, da nur so Wohnungsmieten niedrig gehalten werden könnten. Vom Gesamtwohnungsbestand der Stadt Wien sind 22,4 Prozent Gemeindewohnungen sowie 14,8 Prozent Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen.
Kollateralschäden durch marktradikale und sozialistische Strategien in der Wohnungspolitik
Die größten Kollateralschäden vor allem in deutschen Städten verursachen die marktradikalen und die sozialistischen Konzepte. Die wichtigsten Auswüchse dieser Vorgehensweisen sind: Steigerung des Baulandpreises, Korruption, Nepotismus, organisierte Kriminalität, ineffiziente, teure und umweltschädliche staatliche Wohnungspolitik, Zerstörung des Stadtbildes, der Bürgergesellschaft und der urbanen Lebensqualität, Vermögensbildung wird behindert und damit steigt die Ungleichheit.
Baugrund ist kein normales Gut, er kann nicht beliebig vermehrt werden, er ist nicht reproduzierbar, enorme Steigerungen der Baulandpreise sind die Folge. 1950 betrugen die Grundstückskosten eines Wohnbaus in München 1,42 Prozent, im Jahre 2018 sind sie auf 79,15 Prozent gestiegen, die Baukosten betragen nicht einmal 21 Prozent. Bundesweit lagen die Grundstückskosten 2017 bei 32,10 Prozent. Der Verbraucherindex stieg von 1950 bis 2017 um 412,5 Prozent. Die Baulandpreise sind seit 1962 bundesweit um 2308 Prozent gestiegen, in München seit 1950 um 39.390 Prozent, nur von München gibt es Zahlen für 1950. (Die Daten wurden entnommen aus: Hans-Jochen Vogel, Mehr Gerechtigkeit. Wir brauchen eine neue Bodenreform – nur dann wird auch Wohnen wieder bezahlbar)
Die Sozialisten wollen die Mehrheit der Menschen ›zwangsbeglücken‹. Das Resultat kann man aktuell in einer Reihe von Ländern beobachten sowie bereits früher in einigen Ländern Europas und sogar im Westen Deutschlands in vielen Wohnkomplexen: Die Schaffung von Trümmern in Friedenszeiten, heruntergekommene Wohnungssilos und die Verwahrlosung ganzer Stadtteile.
Nicht nur Spekulanten profitieren davon, die Bodenpreise dem Markt zu überlassen, indem sie ungerechtfertigte Gewinne realisieren, auch große Immobilienentwickler kaufen oft billig Grund und Boden, bauen ebenso billig und verkaufen die Wohnungen dann überteuert. Es wäre lebensfremd zu meinen, dass Korruption dabei keine Rolle spiele, zumal das organisierte Verbrechen gerade in der Bauwirtschaft hervorragend gedeiht. Nur tollpatschige Politiker, wie der ehemalige SPD Parteivorsitzender Rudolf Scharping, agieren öffentlich als Berater sogenannter ›Heuschrecken‹ beim Verscherbeln öffentlicher Immobilien. Die meisten linken Apparatschiks agieren wesentlich smarter. Sie kennen sich mit anonymen Firmen und Konten mindestens so gut aus, wie die Kapitalisten, die sie ständig kritisieren. Korruption und organisierte Kriminalität breiten sich aus, zersetzen Verwaltungen und Gemeinderäte und tragen zur Delegitimierung der Demokratie insgesamt bei. Genau diese unlauteren Verdienstmöglichkeiten sind mit dafür mitverantwortlich, dass Deutschland ein Paradies für organisierte Kriminalität ist.
Nicht nur der Verkauf von Bauland an Investoren führt zur Korruption. Die Zuteilung öffentlicher Wohnungen ist ein weiterer Quell von Korruption und Nepotismus. In staatlich oder genossenschaftlich organisierten Wohngesellschaften findet man großräumige Gründerwohnungen (Jugendstil-Komfortaltbau) im Zentrum mit einer Deckenhöhe zwischen 2.80 und 3.5 Meter und ›Arbeiterschließfächer‹ in abgelegenen Wohnvierteln mit einer Deckenhöhe zwischen 2,30 und 2,50 Meter an viel befahrenen Straßen. Diese Wohnungen werden auf Antrag verteilt. Durch die unterschiedliche Qualität der Wohnungen entsteht ein Schwarzmarkt, der von zukünftigen Mietern sowohl Geld als auch Wohlgefallen in Form ideologischer Anbiederung erfordern kann. Die übelsten Auswüchse konnte man im ehemaligen Sozialismus sehen. Aber auch diese Form von Korruption ist längst nicht mehr nur in Berlin zu besichtigen, sondern im Westen Deutschlands angekommen, und sie steigt mit der Anzahl öffentlicher Wohnungen.
Die vielen Probleme der derzeitigen Wohnungssituation in Deutschland resultieren daraus, dass vor allem die Wohnungsbaupolitik in den Großstädten der Politikbereich mit der verbreitetsten sozialistischen Steuerung ist und daher die gravierendsten Folgen zeitigt.
Ein Nachteil für die Apparatschiks käme dadurch zustande, dass Menschen unabhängig werden und nicht mehr wie Bettler mehrmals im Leben Anträge für Wohnungen stellen müssen. Die Linkspopulisten würden nicht nur Wähler verlieren, sondern könnten sich und ihren Seilschaften nicht mehr die Wohnungen in bester Lage zuschanzen und obendrein von günstigen Mieten profitieren. Mit Wohnungszuteilungen kann man wie mit Essensmarken Menschen wie Mündel behandeln.
In sozialistischen Systemen traten vermehrt auch andere Probleme auf: eine unzureichende Anzahl an Wohnungen, nicht ausreichende Investitionen, ungerechte Verteilung von Wohnraum und schlechte Instandhaltung von Wohnungen und Häusern. Mit denselben Problemen ist mittlerweile auch der öffentliche Wohnungsmarkt in Teilen Deutschlands konfrontiert.
Der staatliche Wohnungsbau ist teuer, ineffizient und produziert nur minderwertige Qualität. Teuer ist er, obwohl eigentlich immer schlechte Qualität gebaut wird. Das kommt dadurch zustande, dass weder diejenigen, die die Bauwirtschaft beauftragen und überwachen, mit fremdem Geld, dem der Steuerzahler arbeiten, und daher kein persönliches Interesse an einem günstigen oder qualitativ hochwertigen Bauen haben. Weiterhin wird die notwendige Wartung vernachlässigt, sowohl von den zuständigen Verwaltern als auch von den Mietern. Letztere sind zur Passivität verdammt, tragen aber die Folgen in Form erhöhter Instandhaltungskosten.
Wenn die Menschen, die in den Wohnungen leben werden, sowohl über den Bau, die Instandhaltung und die Verwaltung bestimmen, wird nachhaltiger gewirtschaftet. Im privaten Wohnungsbau ist auch der Verbrauch an Material wesentlich geringer, als wenn anonyme Verwaltungen, seien sie nun staatlich oder privat organisiert, Bau und Verwaltung vornehmen. Weiterhin wird auch auf die notwendige öffentliche Infrastruktur keine Rücksicht genommen. Dies führt dazu, dass die Wohnungen verwahrlosen.
Aufgrund der hohen Baupreise werden Wohnungen vor allem von marktradikalen oder von staatlichen Bauträgern gebaut. Beide berücksichtigen die Bedürfnisse der Bürger nicht, die dort später wohnen. Es geht entweder darum, schnell Geld zu verdienen oder schnell günstigen Wohnraum zu erstellen. Zerstört wird damit nicht zuletzt die Stadt selbst.
Zum einen ist das Stadtbild betroffen: die Wohnsilos, ob nun Reihenhaus- oder Wohnblocksilos, sind nicht nur hässlich anzusehen, sie zerstören jedes bürgerliche Stadtbild und sind alles andere als funktional geschweige denn menschenfreundlich. Der Stadt als urbaner, lebenswerter Raum wird geradezu ein Bärendienst erwiesen. Insbesondere Familien mit Kindern werden aus der Stadt in die Randbezirke vertrieben, weil sie die hohen Preise für Wohnungen nicht bezahlen können oder den eigenen Kindern verwahrloste Mietshäuser nicht zumuten wollen. Dies führt auch zu enormen ökologischen Schäden, z.B. durch mehr Verkehr und eine Zersiedlung der Landschaft.
Zum anderen werden weniger die sozial Bedürftigen geschädigt – in München gibt es 9,5 Prozent in Hamburg sogar 20 Prozent Sozialwohnungen –, als vielmehr die arbeitende Mitte der Gesellschaft. Nicht nur Geringverdiener können kein Wohneigentum mehr erwerben, sondern auch viele gut verdienende Bürger können in Großstädten – sogar schon ab 50 000 Einwohner – kaum mehr Eigentum erwerben und müssen in die Randgebiete ausweichen. Wer in Städten Eigentum erwirbt, wird extrem zur Kasse gebeten, da Bauträger die Grundstücke aufkaufen und Interessenten so kaum Möglichkeiten haben, selber Baugrund zu erwerben.
Die bürgerliche Mitte, bestehend aus autonom bzw. selbständig handelnden Personen, wird in ihrer Entfaltung enorm gestört, eine sozialistische Bevormundung ist die Folge. Die Menschen können nicht darüber bestimmen, wie die eigene Wohnung aussieht, in welchem Stadtteil man leben will. Menschen müssen nach Verlassen des Hotel Mama in die Kasernen von Vater Staat. Damit beginnt eine demütigende und entwürdigende Odyssee: Antrag stellen, irgendein Apparatschik entscheidet, ob und wie dem entsprochen wird. Wenn man eine Familie gründet, Kinder bekommt, Kinder ausziehen, Arbeit wechselt, immer ist man abhängig von den Entscheidungen irgendeiner Behörde. Ein selbstbestimmtes Leben kann so kaum stattfinden.
Ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) schreibt zur Vermögenssituation in der Eurozone: »Gleichzeitig trägt die geringe Wohneigentumsquote in Deutschland dazu bei, dass die Vermögenskonzentration gemessen am Gini-Koeffizienten tendenziell größer ausfällt als in den anderen EU-15-Ländern ... Eine höhere Vermögenskonzentration geht mit einer niedrigeren Wohneigentumsquote einher.« Das mittlere Nettovermögen in Deutschland im Jahr 2014 in der Gruppe der Wohneigentümer betrug 420.000 Euro je Haushalt, in der Gruppe der Mieter waren es 52.000 Euro. Die Differenz ist also so hoch wie der Preis einer Eigentumswohnung. Ost- und Südeuropäer stehen vermögensmäßig besser da als Deutsche, weil in diesen Ländern der Anteil an selbstgenutzten Wohneigentum wesentlich höher liegt als in Deutschland.
Gescheiterte Wohnungspolitik am Beispiel Berlin
Welche Schäden kapitalistische und sozialistische ›Heuschrecken‹ hinterlassen, wenn sie ungehindert gemeinsam agieren, kann man in Berlin beobachten. Alle oben aufgeführten Kollateralschäden einer marktradikalen und sozialistischen Wohnungspolitik kann man dort bestaunen: eine Eigentumsquote von 14,2 Prozent wahrscheinlich die niedrigste in ganz Europa, weiterhin extrem schlechte Wohnversorgung, Korruption, Nepotismus, Umweltschäden etc. Außerdem wurden in den letzten Jahrzehnten Wohnungen abgerissen, entweder, weil sie zu verwahrlost und nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben waren oder – mittlerweile vor allem –, weil man in sehr attraktiven Lagen Luxuswohnungen errichten will. Berlin ist eindeutig der »nichtfunktionierende Teil Deutschlands« (Boris Palmer) und liegt heute irgendwo zwischen Belgrad und Beirut. Dazu hat die gescheiterte Wohnungspolitik enorm beigetragen.
Berlin hat Anfang dieses Jahrhunderts tausende Wohnungen abgerissen, zerstört und einen großen Teil seines Wohnungsbestands zu Tiefstpreisen verramscht, um die Wohnungen nun zu Höchstpreisen wieder zurückzukaufen. Die GSW, 1924 als städtische Wohnungsfürsorgegesellschaft Berlin mbH gegründet, wurde 2004 vom Berliner Senat an zwei Investmentgesellschaften, Cerberus und Whitehall Investmentfonds (Goldman Sachs), verkauft. Dabei wurden 65 000 Mietwohnungen für 405 Millionen Euro geradezu verscherbelt. Eine Wohnung kostete 6230 Euro hinzu kamen durchschnittlich 24 000 Euro Schulden pro Wohnung. Bei diesem Deal hat sich auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping als Berater der Investoren hervorgetan. Scharping diente als Berater der ›Heuschrecken‹ und nicht des Berliner Senats. Hätte man die Wohnungen für 30 000 Euro an die Mieter auf Erbpachtbasis verkauft, hätten sich auch die untersten Einkommensgruppen eine Wohnung leisten können. Der Stadt wäre der Grund und Boden erhalten geblieben und die Mieter hätten die Wohnungen mittlerweile fast abbezahlt und könnten mietfrei leben.
Schon 2009 ließen sich die beiden Investmentgesellschaften von der GSW 447 Millionen Euro Gewinn ausschütten. Zu diesem Zweck hatten sie 15 000 Wohnungen verkauft, der durchschnittliche Preis lag bei 50 000 Euro pro Wohnung. 2019 wurde dieser Kauf teilweise rückabgewickelt, 6000 Wohnungen plus 70 Gewerbeflächen wurden für sage und schreibe 920 Millionen Euro zurückgekauft. So sieht es aus, wenn geld- und machtgeile Ideologen statt ehrbarer Kaufleute Politik machen.
Berlin will künftig sogar überprüfen, ob Mieter zu viel Wohnfläche haben. Dass die Mieten zu hoch sind, steht bereits fest. Der Einstieg in die sozialistische Kommandowirtschaft wäre dann vollständig vollbracht. Damit entsteht ein Paradies für den linkspopulistischen Staatsadel, der die Wohnungen verteilen und überwachen kann. In Berlin haben entsprechende Seilschaften längst den Traum aller sozialistischen Apparatschiks verwirklicht: Arbeiten wie im Sozialismus (alle Vorteile, die der öffentliche Dienst bietet, Gehalt plus stressfreies Arbeiten) und Leben wie im Kapitalismus (tolle und günstige Wohnungen in hochwertigen Wohnlagen). Den Preis dafür zahlen Millionen Bundesbürger, die diesen Irrsinn über den Finanzausgleich seit Jahrzehnten finanzieren. Aber auch Millionen Berliner haben das Nachsehen. Erstens, weil sie für schlechte Wohnungen überproportional viel bezahlen. Zweitens, weil sie sich keine eigene Wohnung in Berlin leisten können und damit auch beim Vermögensaufbau behindert werden.
Pluralistische Wohnungspolitik als Ausweg: bürgerlicher, marktliberaler und sozialer Wohnungsmix
Warum braucht es eine pluralistische Wohnungspolitik? Wie soll ein bürgerlicher, marktliberaler und sozialer Wohnungsmix gestaltet werden? Privateigentum ist keine Gefahr, wie Linkspopulisten gerne behaupten, sondern bildet die wichtigste Strategie zur Lösung der Wohnungsnot. Auf öffentliches Eigentum insbesondere an Grund und Boden kann, obwohl Marktradikale davon nichts wissen wollen, ebenso wenig verzichtet werden. Sogar die chinesischen Kommunisten haben im Gegensatz zu den deutschen Linkspopulisten die Bedeutung von Privateigentum entdeckt, die maoistischen Verwirrungen sind dort längst überwunden, nur so konnten enorme Fortschritte erzielt werden. Das Wohneigentum ist auch in China privat, insbesondere wenn es sich um neue Wohnprojekte handelt, der Grund ist staatlich. Es handelt sich also um einen Mix zwischen privatem und öffentlichem Eigentum.
Die Mehrzahl der Bürger möchte an einem Wohnort, in einem Stadtteil seiner Wahl sich ein eigenes Nest nach eigenen Vorstellungen einrichten, weiterhin selber die Umgebung mitgestalten. Wie die Wohnungssituation in den ehemaligen Ostblockstaaten zeigt, können 80 bis 90 Prozent der Menschen aus eigener Kraft Wohneigentum erwerben und bewirtschaften. Die eigene Wohnung ermöglicht, den Kapitalmarkt für sich arbeiten zu lassen und gleichzeitig Vermögen aufzubauen.
Das Privateigentum an der eigenen, selbstgenutzten Wohnung hat mehrere Vorteile. Die wichtigsten sind: Es ist erstens die effizienteste Steuerung der Wohnungspolitik. Zweitens ist es die billigste und nachhaltigste Art der Erstellung, Instandhaltung und Verwaltung von Immobilien. Drittens schafft es breiten Schichten der Bevölkerung Zugang zum Kapitalmarkt, ermöglicht daher Akkumulation von Vermögen und verhindert, dass die Schere zwischen arm und reich auseinandergeht. Viertens, ein nicht weniger wichtiger Vorteil, trägt Wohneigentum enorm zu einer freien Bürgergesellschaft bei: my home is my castle. Der Stolz als selbstbestimmter Bürger etwas aufzubauen überwiegt, während die Abhängigkeit vom Staat nur Frustration bedingt.
Die Wohnungspolitik muss auch die Schwächsten der Gesellschaft im Blick haben, daher sollte eine soziale (keine sozialistische!) Strategie ebenfalls zum Wohnungsmix gehören. Zwei soziale Forderungen sind meiner Meinung nach unabdingbar: die Schaffung von Wohnraum für Menschen, die dies selber nicht oder noch nicht können (junge Familien), die Verstaatlichung von Grund und Boden sowie dessen Vergabe mittels Erbpacht.
Es gibt Menschen, die ihr Leben lang kein Eigentum erwerben können. Weiterhin sind auch junge Familien zumindest vorübergehend auf öffentlichen Wohnraum angewiesen, bevor sie Eigentum selber erstehen können. Weniger als 10 Prozent der Haushalte sind, wie die Zahlen aus Ost- und Südeuropa zeigen, auf öffentlichen Wohnraum angewiesen. Wenn man das Augenmerk allein auf die Bedürftigen richtet, dann kann die öffentliche Hilfe viel zielgerichteter eingesetzt werden.
Bürgerliche Wohnungspolitik zeichnet sich dadurch aus, dass privates und öffentliches Eigentum miteinander kombiniert werden. Das selbstgenutzte Haus oder die selbstgenutzte Wohnung ist Privateigentum, Grund und Boden können auch öffentlich sein, z.B. im Rahmen des Erbbaurechts genutzt werden. Weiterhin ist die Infrastruktur (Spielplätze, Straßen, etc.) öffentliches Eigentum.
Die Kommunen sollten Grund und Boden nicht privatisieren, sondern diesen grundsätzlich verpachten, da Grund und Boden sich nur bedingt als Marktware eignen. Die Einnahmen aus der Erbpacht sollten für die Pflege öffentlicher Anlagen (Straßen, Spielplätze etc.) verwendet werden. Die Menschen erwerben die Wohnung und werden für 30 Jahre von der Pacht befreit, damit sie erst einmal die Wohnung abbezahlen. Danach wird die Pacht fällig. Damit könnten insbesondere Menschen mit geringem Einkommen Eigentum und Vermögen aufbauen und in Städten in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen. Für die Kommunen hat das den Vorteil, dass sie die Stadtentwicklung langfristig in eigenen Händen halten.
Am wichtigsten ist, die Polarisierung zwischen Marktradikalismus und Sozialismus zu durchbrechen, d.h. den Diskurs von neoliberalen und sozialistischen Spaß-Revoluzzern zu überwinden. Weder eine radikale Privatisierung noch eine Vergesellschaftung ist erstrebenswert. Es bedarf sowohl öffentlicher als auch privater Güter. Die Menschen sollten von Anfang an in den Bau von Wohnungen einbezogen werden, was dazu führt, dass der Bau menschenfreundlicher, billiger wie auch qualitativ hochwertiger und ökologischer wird.
Der Neubau ist ja nur ein andeutungsweise kleiner Bereich, wichtiger ist, wie der gegenwärtige Bestand verwaltet wird. Auch hier sollten kommunale oder staatliche Wohnungen nach dem oben genannten Modell privatisiert werden, soll heißen: Baugrund verpachtet und die Wohnung privatisiert. Der Verfall von Wohnblocks sowie der öffentlichen Einrichtungen im Stadtteil würde gestoppt werden. Eigentümer pflegen die eigenen Wohnungen nicht nur besser, sondern tun dies billiger, qualitativ hochwertiger und auch ökologischer.
Für die Menschen hat das oben genannte Modell den Vorteil, dass man während der Arbeitsphase die Wohnung abbezahlt und als Rentner preiswert wohnen kann, da man nur die Pacht für das Grundstück und die Nebenkosten zu zahlen hat. Dies ist aber nicht der einzige Vorteil. Dadurch den Erwerb von Eigentum erhält jeder für sich selber Zugang zum Kapitalmarkt und kann damit auch andere Unternehmungen finanzieren, sowohl berufliche wie auch private. Den größten Vorteil hätten dabei Menschen mit geringem Einkommen. Nicht zuletzt, der Erwerb von Wohneigentum führt dazu, dass auch die Schere zwischen arm und reich nicht mehr weiter auseinandergeht.
Es gibt Menschen, die schlicht die Nachteile, die Privateigentum mit sich bringt (z.B. sehr zeitintensive Pflege), nicht tragen wollen und Vermögen in anderen Formen akkumulieren (Aktien, Versicherungen). Weiterhin werden aufgrund der arbeitsbedingter Wohnwechsel Menschen Mietwohnungen nachfragen. Hier kann der freie Markt die Bedürfnisse besser und effizienter erfüllen als der öffentliche Wohnungsbau. Daher ist der freie Markt für dieses Segment am besten geeignet.
Eine ideale Wohnungspolitik könnte folgende Relationen zwischen bürgerlicher, marktliberaler und sozialer Wohnungsstrategien aufweisen: Der bürgerliche Anteil könnte mit 70 bis 80 Prozent dominieren, während die beiden anderen Konzepte jeweils den verbliebenen Rest teilen. Es gibt Menschen, die sich eine Privatwohnung nicht leisten können, dafür braucht es Sozialwohnungen. Weiterhin gibt es Menschen, die kein privates Wohneigentum wollen. Daher haben auch private Anbieter ihre Berechtigung. Eine pluralistische Wohnungspolitik führt zur Verbesserung der Vermögens- und Wohnungssituation sowie zur Stärkung der Bürgergesellschaft. Das Wohneigentum als sozialpolitische Option kann sehr wohl als leistungsfähiges Instrument gegen Altersarmut und sinkende Renten eingesetzt werden und ist auch für die soziale Absicherung gegen Armut in allen Lebenslagen (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter) geeignet. Das eigene Zuhause ist ein Bollwerk gegen Segregation und Verarmung.
Pluralistische Wohnungspolitik am Beispiel Berlin
In Berlin wurden Anfang dieses Jahrhunderts zehntausende Wohnungen für circa 30 000 Euro an amerikanische Hedgefonds verkauft. Auch Krankenschwestern, einfache Arbeiter, Polizisten etc. hätten sich bei diesen Preisen eine Wohnung leisten können. Bei solchen Preisen könnten die Käufer nicht nur ihre eigene Wohnung nach ihren Vorstellungen sanieren, sondern sogar Geld leihen, damit der gesamte Wohnblock als auch die Außeneinlagen saniert werden. Die derzeitige Politik in Berlin, die vor allem auf Mietdeckel und Verstaatlichung setzt, legt die Grundlage für einen neuen ›Schweinezyklus‹: Es werden wahrscheinlich zu viele Wohnanlagen zurückgekauft oder gebaut. Spätestens in 20 Jahren geht es dann wieder in die andere Richtung.
Statt sozialistischer Folterwerkzeuge, sollte der Berliner Senat einen pluralistischen Wohnungsmix anstreben. Dies würde in erster Linie bedeuten, dass Wohnungen, die der Stadt Berlin gehören, an die Mieter privatisiert werden, wobei Grund und Boden weiterhin der Stadt gehört. Mit den erzielten Einnahmen sollte Bauland erschlossen werden. Die Neubauten sollen höchstens zu 20 Prozent für arme Mieter reserviert werden, alle anderen für Eigentumswohnungen auf Erbpachtbasis, wobei Menschen mit geringem Einkommen, die Berlin am Laufen halten (Krankenschwestern, Polizisten, Feuerwehrleute etc.) bevorzugt werden sollten.
(Eine PDF-Version finden Sie hier: http://www.lauer.biz/wohnungspolitik.pdf)