Vor siebzig Jahren trafen im Potsdamer Schloss Cecilienhof zur letzten gemeinsamen Konferenz die Staatsmänner jener Mächte zusammen, unter deren Führung in der ›Anti-Hitler-Koalition‹ der Zweite Weltkrieg beendet und durch den Sieg über das Bündnis der ›Achsenmächte‹ Europa vom nationalsozialistischen Vernichtungskrieg und von der Herrschaft des italienischen Faschismus und der gemeinsamen Verbündeten befreit werden konnte. Nach der bedingungslosen Kapitulation Japans am 2. September 1945, knapp einen Monat nach dem Abwurf der amerikanischen Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, endete auch der Krieg im pazifischen Raum.

Doch schon in Potsdam zeichneten sich die ersten Konturen des künftigen ›Kalten Krieges‹ ab. Winston Churchill hatte bereits am 12. Mai 1945, also vier Tage nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Berlin-Karlshorst, in einem Telegramm an den neuen und auf internationalem Parkett noch relativ unerfahrenen US-Präsidenten Harry S. Truman geschrieben: »Längs der russischen Front ist ein Eiserner Vorhang niedergegangen.Wir wissen nicht, was dahinter vor sich geht […] Diesem [Gebiet] muss das weitere, enorme Gebiet hinzugefügt werden, das von dem amerikanischen Armeen zwischen Eisenach und der Elbe erobert worden ist und das, so nehme ich an, in ein paar Wochen von der russischen Macht besetzt sein wird, wenn die Amerikaner sich zurückziehen« (Winston Churchill, Telegramm an Harry S. Truman vom 12. Mai 1945, zitiert nach Ernst Deuerlein, Hg.: Potsdam 1945. Quellen zur Konferenz der »Großen Drei«, München 1963, S. 96f.) Damit wurden dem Dritten im Potsdamer Bunde, dem sowjetischen Diktator Josef W. Stalin, Expansionspläne unterstellt, die auf die Bildung eines kommunistischen Machtbereichs von der Ostsee bis nach Triest abzielten, wie Churchill 1946 in Fulton/Missouri wiederholte. Doch galt das schon für 1945? Allerdings hatte Stalin durch seine Politik der vollendeten Tatsachen gerade in Ostmitteleuropa, als er, über Jalta hinausgehend, Gebiete annektierte wie das nördliche Ostpreußen mit Königsberg oder die Region um die Odermündung, für Erregung unter den Westmächten gesorgt. Auch seine Unterstützung des ›Lubliner Komitees‹ gegenüber der Exilregierung Polens in London brachte dem sowjetfreundlichen Komitee erhebliche machtpolitische Vorteile ein.

Die USA und Großbritannien wiederum beabsichtigten, das Vordringen sowjetfreundlicher Kräfte im geostrategischen Vorfeld der UdSSR zu verhindern, um britische Interessen zu schützen bzw. die USA als nunmehr stärkste Siegermacht in Europa zu etablieren. Deshalb ist es schwierig, Konfliktpotenzial nur bei einer Siegermacht, nämlich der UdSSR, zu verorten. Die Machtprojektionen beider Seiten begannen sich nach dem Sieg über Hitlerdeutschland mehr und mehr zu widersprechen.

Davon ist allerdings im Grußwort von Bundestagspräsidentin a.D. Prof. Dr. Rita Süssmuth im vorzustellenden Band wenig zu lesen. Sie schreibt: »Die Sowjetunion hatte ihren Einflußbereich in Ost- und Südosteuropa militärisch gesichert und wurde in dieser Position in Potsdam bestätigt. Die Westmächte andererseits konnten von der UdSSR nicht gezwungen werden, sich auf eine internationale Kontrolle des Ruhrgebietes oder auf Reparationsregelungen einzulassen, die für die Sowjetunion entscheidende Vorteile gebracht hätten.« (S. 5) Diese Formulierung impliziert eine defensive Grundposition der Westalliierten gegen eine Offensivposition der UdSSR. Doch darüber zu urteilen ist nicht das Hauptanliegen dieser Besprechung, sondern vielmehr die Nachzeichnung der Bewertungen anlässlich der 70. Wiederkehr der Konferenz von Potsdam. Im September 2015 trafen sich deshalb Historikerinnen und Historiker sowie Juristinnen und Juristen auf Einladung der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft e.V. – Potsdam, der Stadt Potsdam und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland e. V. zu einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz im Potsdam-Museum, aus der der vorgestellte Sammelband hervorging.

Den ersten Schwerpunktbeitrag zu diesem Band liefert Prof. Dr. Christoph Koch (FU Berlin), auch Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland: »Feuer und Wasser – Potsdamer Abkommen und Deutschlanddoktrin« (S. 13-97) Einleitend würdigt Koch die Bedeutung des Potsdamer Abkommens und seiner labilen Tragfähigkeit während der Epoche des kalten Krieges. Sein Vergleich der Beteiligten und ihrer Interessen als Koexistenz von Feuer und Wasser verbildlicht die Fragilität der auf Deutschland und Europa bezogenen Nachkriegsordnung. Dass sie ohne Krieg oder zumindest folgenschwere militärische Konflikte existierte verdankt sich »einer beachtlichen Kunstfertigkeit«, wie er betont. (S. 13) Seine analytischen Ausführungen lässt Koch mit dem Aufweis der drei gemeinsamen Kriegsziele der Alliierten beginnen: »bedingungslose Kapitulation, Übernahme der obersten Staatsgewalt in Bezug auf Deutschland und Potsdamer Abkommen«. (ebd.) Dann gibt er einen historischen Überblick über die Entwicklung des ersten Kriegsziels, das zunächst vor allem von US-Präsident Roosevelt offensiv vertreten wurde, wohingegen Premierminister Winston Churchill für Großbritannien an der Position seines Vorgängers Chamberlain festhielt, aus Gründen der innenpolitischen Geschlossenheit keine Propagierung einer bedingungslosen Kapitulation zu formulieren. (Vgl. dazu Willy Brandt: Die Kriegsziele der Großmächte und das neue Europa, Bonn 2018, S. 34-45.) Selbst noch im Abschlusskommuniqué der bilateralen Konferenz in Casablanca vom 26. Januar 1943 ist es nicht enthalten, da Churchill sich dagegen sträubte. (S.14-22) Auch der misstrauische Stalin übernahm dieses Kriegsziel erst in seinem Tagesbefehl zum 1. Mai 1943, wie Koch anhand seines überaus akribischen Quellenfundus belegt: Entgegen der Entwicklungen im Ersten Weltkrieg, vor allem mit Blick auf den Separatfrieden von Brest-Litowsk, sollte für die Kriegsgegner, insbesondere für das Deutsche Reich, der Zwang zum Zweifrontenkrieg aufrecht erhalten bleiben. (S. 24-25) Doch beim letztlichen Aufbau der zweiten Front im Westen des Kontinents im Juni 1944 stand auch die Überlegung Pate, »über die Niederwerfung des bereits niedergeworfenen verfeindeten Kollegen hinaus […] in letzter Minute sicherzustellen, daß der Sieg des verbündeten sozialistischen Gegners nicht zu üppig ausfiel«. (S.26) Diese Dialektik der Freund/Feind-Bestimmung gemäß Churchills Ausspruch von der Schlachtung des falschen Schweines bedeutet natürlich eine Provokation für die westliche Lesart von der Klarheit von ›Gut‹ und ›Böse‹, weist aber auch darauf hin, dass die geopolitische Landschaft vom Potsdamer Telegrafenberg aus anders überschaut und gemustert werden kann als vom Bonner Siebengebirge. Jedenfalls, so Koch, hielt die Kriegszielformel von der bedingungslosen Kapitulation die an sich spinnefeinden Alliierten bis zum Schluss zusammen und trug bis zur Potsdamer Konferenz: »Die Losung aber gab der künftigen Politik der Alliierten einen Rahmen, der auf den Dreimächtekonferenzen in Moskau, Teheran und Jalta bekräftigt und über das Ende des Krieges hinaus nicht mehr in Frage gestellt werden sollte. Es war zunächst ein Rahmen ohne Bild, doch kaum warer gefertigt, da begann der leere Rahmen sich das fehlende Bild zu zeichnen.« (S. 26). Koch entfaltet die inhaltliche Konkretisierung dieses Kriegszieles als »deballatio«, eine vollständige Besiegung und Entwaffnung der besiegten Macht, eine Situation also, die den besiegten Staat ganz in die Hand des Siegers gibt und damit die Voraussetzung eines aus dem Schatten der Vergangenheit heraustretenden Neuanfangs schafft. »Diese Form aber ist die debellatio, die die juristische Voraussetzung für die Installation eines durch keine Bande der Vergangenheit verhafteten Staates schafft«. (S. 30) Die administrative und militärische Konsequenz aus dieser Debellatio, besiegelt mit den Kapitulationserklärungen von Reims (7. Mai), Berlin-Karlshorst (8. Mai) und dem Ende der Dönitz-Regierung (23. Mai), blieb die militärische Besetzung und Verwaltung des zerstörten und rechtlich beendeten Deutschen Reichs, das zu existieren aufgehört hatte.

Das dritte alliierte Kriegsziel sollte sich auf der Potsdamer Konferenz konkretisieren. Bekanntermaßen veränderten sich auf Seiten der Westalliierten nicht nur die Regierungschefs, denn Roosevelt war verstorben und Churchill abgewählt, sondern auch die Verhandlungsgewichte, denn weder Harry Truman noch Clement Attlee besaßen die Erfahrungen eines Josef Stalin bzw. eine ›Justierung‹ wie zwischen Roosevelt und Churchill. Die in Potsdam gemeinsam getroffenen Maßnahmen reduzierten das von den Alliierten verwaltete Gebiet auf die drei, dann vier Besatzungszonen (Frankreich trat im Juni 1945 hinzu), alle vom ehemaligen Staatsgebiet des Deutschen Reiches abgetrennten Gebiete fielen nicht unter das Potsdamer Abkommen, so dass eine – auch friedensvertragliche – Rückgewinnung ausschied. Entgegen der Beteuerungen mancher westdeutscher Politiker und der Vertriebenenverbände und Landsmannschaften gab es nun in Bezug auf die ehemaligen Ostgebiete keine offene deutsche Frage mehr, was der ›2+4-Vertrag‹ von 1990 ja in sich aufnahm. Dass damit auch die Aussiedlung deutscher Bevölkerungen aus Polen, der CS(S)R und Ungarn in das verbliebene Gebiet der vier Besatzungszonen verbunden war liegt juristisch und politisch auf der Hand, wenngleich diese Regelung bei Betroffenen Wunden schlug und Wunschträume hervorbrachte. Die Perspektivsetzung des Potsdamer Abkommens, den Deutschen die Rückkehr in die Völkergemeinschaft als Teil einer friedlichen, demokratischen und freien Welt zu ermöglichen macht deutlich, dass Debellatio und Katharsis in Potsdam noch bei allen Alliierten, trotz unterschiedlicher ideologischer Definitionen so mancher Frage, zusammengehörten. Man könnte sagen, dass die ›fünf D‹ von Potsdam, also Demilitarisierung, Denazifizierung, Demokratisierung, Dezentralisierung und Demontage, zwar ein Maximum dessen dastellten, was zwischen den auseinanderdriftenden Siegermächten noch möglich war, aber gleichzeitig ein hinreichender Kompromiss zur Behandlung eines besiegten Feindstaates und seiner Bevölkerung, von der die Mehrheit ›mitgemacht‹ hatte. Und Koch kommt zu dem Fazit, dass trotz des Kalten Krieges die von Potsdam ausgehende Neuordnung gerade in ihrer Absicht, eine von Deutschland ausgehende Bedrohung seiner Nachbarn oder des Weltfriedens auf Dauer auszuschließen, eine Tragkraft besaß, die bis heute von Bestand ist. (S. 36) Und Kochs positive Bilanz von ›Potsdam‹ setzt sich mit der Bemerkung hinsichtlich der Unvermeidbarkeit der deutschen Teilung angesichts der auseinander driftenden Interessen der Alliierten und des Kalten Krieges fort, dass gerade der Kalte Krieg eine Restzusammenarbeit der ehemaligen Siegermächte und späteren Kontrahenten erzwang, somit auch Phasen der Entspannung, und ebenso ein Festhalten an den in Potsdam gefassten Grundsätzen. Erst der Zusammenbruch des Staatssozialismus habe die Logik von Potsdam erodieren lassen, oder wie Koch resümierte: »Es bedurfte des Zusammenbruchs eines der gesellschaftlich konträren Zielen verpflichteten Partner der Vereinbarungen, um dem Ganzen des vereinten Deutschland den Eingang in die Zivilisation des anderen Lagers und damit die Rückkehr auf den gesellschaftlichen Nährboden zu ermöglichen, der der Auslöser seines Zivilisationsbruchs gewesen war«. (S. 44-45) Das lässt aufhorchen. Mit diesem ›Nährboden‹ meint Koch die in konservativen und deutschnationalen politischen und juristischen Kreisen in der alten BRD vor 1990 wie ein Mantra zur Schau getragene Auffassung vom ›Fortbestand des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937‹, die bekanntlich das Lebenselixier der Vertriebenenverbände darstellte. Er nennt sie die ›Deutschlanddoktrin‹. Doch die höchstricherlichen Urteile zu dieser Frage atmen, wie Koch herausragend belegt, noch immer den Geist des Kalten Krieges. Schon das Urteil des BVerfG vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag mit der DDR führt, mit den Worten Kochs zitiert, das Folgende aus: »1. das Deutsche Reich hat den ›Zusammenbruch 1945‹ überdauert und besitzt ›nach wie vor Rechtsfähigkeit‹, ist ›mangels Organisation‹ jedoch derzeit ›selbst nicht handlungsfähig‹; 2.die Bundesrepublik Deutschland ist ›als Staat identisch mit dem Staat ›Deutsches Reich‹, – in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ›teilidentisch‹, wobei über die Grenzen jenes Staates ›genauer zu bestimmen hier nicht nötig ist‹; 3.es ist den Staatsorganen der Bundesrepublik verwehrt, Rechtspositionen aufzugeben oder Rechtsinstrumente zu schaffen, die der ›Reorganisation Deutschlands‹ entgegenstehen.« (S. 57-58) An dieser Rechtsauffassung hat sich auch nach 1990 nichts Grundlegendes verändert, was Koch als Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu Recht alarmiert. So gilt die polnische Westgrenze auch nach dem deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990 in der Rechtsauffassung der Verfassungshüter als nicht endgültig: »Der Vertrag bestätigt nur die jedenfalls faktisch seit langem zwischen Deutschland und Polen bestehende Grenze,« bekräftigt der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 1992, wie Koch feststellt. (S. 69) Sein Fazit: »Damit ist Deutschland das einzige Land in Europa, das nach aktueller Rechtslage der Grenze zu einem seiner Nachbarländer die Anerkennung verweigert, und Polen ist das wohl einzige Land in der Welt, das zu solcher Anmutung freundlich lächelt und ihre Verfechter mit Auszeichnungen behängt.« (S. 71) Und so lautet seine Forderung an die Politik, solange aus Karlsruhe keine Neuinterpretation im Sinne der Endgültigkeit der polnischen Westgrenze gekommen ist: »Ungeachtet seines tatsächlichen Charakters hat der deutsch-polnische Grenzvertrag des Jahres 1990 in der deutschen Öffentlichkeit eine Wirkung entfaltet, die die Frage der deutschen Ostgebiete als erledigt erscheinen läßt, und die Politik auf beiden Seiten der Grenzen tut – aus unterschiedlichen Beweggründen – alles, um diesen Eindruck nicht zu zerstören. Kein Politiker der heutigen Bundesregierung könnte es wagen, die alten Träume auf seine Fahnen zu schreiben«. (S. 78) Dieser einführende Beitrag ist sehr erhellend, quellengesättigt und politisch eine Mahnung an all jene, die in einem vereinten Europa glauben, Grenzen wieder als trennend und notfalls verschiebbar definieren zu können.

In diesem Geist konstruktiver deutsch-polnischer Nachbarschaft und Zusammenarbeit, auch trotz politisch-konjunktureller Misstöne zwischen Berlin und Warschau in europäischen Belangen, formulieren auch die nachfolgenden Autoren ihre Beiträge, die bestrebt sind, die gemeinsame Betroffenheit von der Potsdamer Konferenz und die gemeinsame Bedeutung ihrer Beschlüsse herauszuarbeiten. So befassen sich Galina G. Sinckareckaja (Moskau) mit der Potsdamer Konferenz und der seitherigen Fortentwicklung des Völkerrechts (S. 99-114) und Bill Bowring (London) mit der Kontroverse zwischen Quincy Wright und dem deutschen Diplomaten und Völkerrechtler sowie damaligen Botschafter der BRD in Washington, Wilhelm Grewe, in den Jahren 1961/62, der eine westliche Politik jenseits von Potsdam forderte und die USA vor einem zu engen Festhalten an den Beschlüssen von 1945 warnen zu müssen glaubte. (S. 115-132). Beide Beiträge sind auf Englisch verfasst. Ihnen folgen Norman Paech (Hamburg) zum Thema «Das Potsdamer Abkommen oder der Versuch, Deutschland mit dem Völkerrecht wieder aufzubauen« (S. 133-148) und Gregor Schirmer (Berlin) über »Das Potsdamer Abkommen und der Zwei-plus-Vier-Vertrag«. (S. 149-164). Das Fazit Schirmers zur deutschen Politik fällt ebenfalls kritisch aus, denn »[...] das ›vereinte‹ Deutschland [hat] diese Souveränität oft nicht – wie Hans-Dietrich Genscher bei der Unterzeichnung des 2+4-Vertrags angekündigt hat – ›in europäischer Friedensverantwortung‹ wahrgenommen, sondern zur Gewinnung einer ökonomischen, politischen und auch militärischen imperialen Machtstellung in Europa und in der Welt genutzt, die in Potsdam als völlig ausgeschlossen galt und die die Siegermächte vor 25 Jahren im Zwei-plus- Vier-Prozeß wohl so nicht vorgesehen hatten.« (S. 162) Zum polnischen Blick auf Potsdam nimmt der Völkerrechtler Wladyslaw Czaplinski Stellung (S. 165-179), auf ihn folgen Vladimir O. Pecatnov (Moskau) und Michael Jabara Carley (Montreal) mit Beiträgen aus der Perspektive der damaligen Sowjetunion (S. 181-199) und Großbritanniens, letzterer unter der Fragestellung, weshalb London die Anti-Hitler-Koalition so schnell dem Kalten Krieg opferte. (S. 201-214). Dass hinter den Kulissen zunächst in London, nach Roosevelts Tod dann auch in Washington gezielt an einer Abkehr von der Anti-Hitler-Koalition gearbeitet wurde, mithin die Verantwortung für den Kalten Krieg eben nicht allein Moskau zugeschoben werden kann wird hier überdeutlich. Diese drei Texte, wie auch der nächste von Geoffrey Roberts (Cork/Irland), der sich mit Mythen über Yalta und Potsdam und über den Charakter der von Hitler erzwungenen Zusammenarbeit der ›Großen Drei‹ beschäftigt (S. 215-233), sind ebenfalls in englischer Sprache dokumentiert. Vor allem bringen sie die jeweiligen kontingenten Blickwinkel der Beteiligten und Betroffenen zur Sprache. Werner Röhr (Berlin) zeichnet die Entwicklung Polens und die, die Wiederherstellung seiner Existenz betreffenden Diskussionen, Interessen und Dokumente in Potsdam nach und beginnt dabei in Teheran, der ersten gemeinsamen Konferenz der ›Großen Drei‹. (S. 235-307). Dieser Beitrag ist der zweite Schwerpunktbeitrag des Buches und der vorausgegangenen Konferenz. Ohne das Zusammenwirken der Alliierten in Potsdam wäre, so seine Schlussbemerkung, die Wiedererstehung eines polnischen Nationalstaates in gesicherten Grenzen unmöglich gewesen. Damit schließt Röhr an Koch an und mahnt, das Erreichte nicht aufs Spiel zu setzen. Den Schlussbeitrag verfasste Ulrich Schneider (Berlin) über »Die Potsdamer Konferenz und die politischenVisionen der Antifaschisten«. (S. 309-321) Für die Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Nationen, die in Buchenwald und anderen Lagern der NS-Diktatur litten und kämpften, bedeutete die Anti-Hitler-Koalition eine Hoffnung auf Rettung und Neubeginn, wie im ›Schwur von Buchenwald‹ oder im ›Manifest von Mauthausen‹ deutlich wird: »Über den Charakter einer zukünftigen europäischen Kooperation konnte es für die Überlebenden des antifaschistischen Kampfes keinerlei Zweifel geben. Es ging um eine friedliche Völkergemeinschaft, basierend auf den Erfahrungen der Gemeinsamkeit der Anti-Hitler-Koalition.« (S. 318) Ihr Zerbrechen im Kalten Krieg machte viele Ansätze, Hoffnungen und Chancen zunichte. Jedem Beitrag ist eine Zusammenfassung auf Englisch angefügt. Über die Autoren erfahren die Leserinnen und Leser in Kurzbiographien.

Dieser Band erinnert eindringlich daran, dass für den Wiederanfang der Deutschen Teil der Völkergemeinschaft zu sein, der Preis zu zahlen war, die alte Staatlichkeit in den Grenzen eines Machtstaates, der sich brutal an der Völkergemeinschaft vergangen hatte, unwiderbringlich zu verlieren. Und er fordert, mit unserem Nachbarn Polen, vor allem aber mit uns selbst, endlich ins Reine zu kommen und den Status quo, also die Westgrenze Polens, nicht nur hinzunehmen, sondern auch anzunehmen. Kräfte, die hier ansetzen möchten, getragen von Hegemoniephantasien, gab es und gibt es immer noch. Dieses Buch kann dazu beitragen, vor der Hybris einer Politik auf Kosten unseres Nachbarn Polen entschieden zu warnen. In Potdam haben die Alliierten das Schicksal unserer beiden Völker als Teile einer möglichst friedlicheren Welt noch enger miteinander verbunden.

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