… neulich im Einstein
– glücklich durch die Hygieneschranke gelangt, gab mir im Blick auf neueste große Perspektiven der Politik eine merkwürdige Symmetrie zu denken, dass immer irgendwie im Rhythmus eines Säkulums die politische Phantasie der Herrschenden erschöpft scheint beziehungsweise zyklisch wird. Das fiel mir bei Plänen aus dem Wirtschaftsressort auf, die für eine Welt, in der das Morgen schon Geschichte ist (Julius Fučik) entworfen schienen. Ging es ehemals – in der Morgenröte einer neuen kommunen heilen Welt – noch um Pläne zur landesweiten Elektrifizierung, so geht es heute um Klimatisierung & Dekarbonisierung des ganzen Landes … Bei beiden aber geht es auch explizit um nichts weniger, als um die ›Rettung-der-Welt‹. Es scheint der gleiche Widersacher zu sein, gegen den man – damals wie heute – aufstehen muss: die Markt- & Geldwirtschaft, der Kapitalismus. Nur hat sich der Feind inzwischen unversehens vervielfacht: waren es ehedem – abzählbare – Kapitalisten, die die Dunkelheit verantworteten und ans neue Licht gezogen wurden, so sind es heute wir Menschen alle selber, deren Verkehrs- und Betriebsformen der Wärme zu zerbrechen seien.
Zwei Umstände fallen dabei auf. Zunächst ist in der ästhetisch-stilistischen Präsentation bei beiden Planspielen eine erfolgsverzückte Gestik spürbar: da huschen Zeigefinger und –stöcke unruhig über Schaubilder, Statistiken und Stabstriche, Landschaften werden neu kartiert und instrumentiert, alternative Blicke höhnisch als gestrig übergangen. So sollen wir Mitwisser und Verstärker werden von Fünf-vor-zwölf-Szenarien, von ›Parusie‹ – Erzwingung und Teilhabe an der ›volonté générale‹, es erinnert ein bisschen an Dokumentarstücke des eingreifenden politischen Theaters. Die ältere Vision des Räte-Theaters vermittelte durch ihre Schausteller (exil- & katorgabewährte Hungerleider) noch die urwüchsige Glaubenskraft einer sakramentalen Gründungs(Tauf)-Handlung, die viele allerdings als ›Neue Genesis‹ erschreckte. Im gegenwärtigen politischen public view fehlt es bei den (bartlosen) Komsomolzengesichtern – als ›Nachfahren‹ – schon ein wenig an ursprünglicher – nonverbaler – Existentialität, – ihre gewissermaßen politische Theologie bleibt (anders als noch bei ihren Vätern) parlamentarisch eingehegt.
Zum zweiten: Die Modellierungen beider Totalveränderer (Dahrendorf) überspielen einen grundlegenden, sozusagen ›philosophischen‹ Grundbestand unserer menschlichen Aktivität: nämlich immer gewiss zu sein, doch niemals etwas mehr als ein Mensch zu sein (Kant). Dieser Imperativ wurde und wird verletzt, wenn in der Kommunikation von ›Natur‹ und ›Mensch‹ beide als reziproke Player missverstanden werden. Der Schutz des einen durch den anderen ist klar geboten, aber wir agieren dabei eben eindimensional, sozusagen als teleologische Art innerhalb einer zweck- und interesselosen Gattung. Wir sollten deren Schutz nicht als eine solche Alltagsaufgabe praktizieren, bei der – eben lange vorfristig – unsere Art (Mensch) in der Gattung (Natur) aufgehen würde … Das bleibt unser unabweisbares Schicksal, dem sollte aber politisch nicht vorgearbeitet werden. Wohin die Humanisierung der Natur und die Naturalisierung des Menschen [= nach Marx Kommunismus], die mit dem GOELRO-Plan begann, sozusagen offline führt, könnte man als Tourist durch jenes Sechstel der Erde, in dem, allerdings anders als Fučik sich das träumen ließ, das Morgen nun schon Geschichte ist, erleben.