II

Die Medien haben seit 2015 deutlich zu viele Beschwichtigungen geliefert, die vorhandene Ängste nicht wahrhaben wollten und zudem oft nicht wahrhaftig waren. Etwa diese: Migration hat es in Europa immer gegeben. Immer gab es zunächst Widerstände. Aber immer war sie schließlich für alle ein Gewinn. Das waren aber immer nur innereuropäische Wanderungen und die sind auch heute meist unproblematisch. Sie machen derzeit zwischen 50 und 70 Prozent der Zuwanderer nach Deutschland aus. Man braucht für Polen, Portugiesen oder Ukrainer keine Integrationsprogramme, die integrieren sich selbst. Aber auch fernöstliche Immigranten aus China, Vietnam, Korea lassen keine Integrationsprobleme erkennen. Überall in Europa aber gibt es erhebliche Integrationsprobleme mit Migranten aus islamischen Ländern.

Und trotzdem ist die Angst vor einer Islamisierung Deutschlands maßlos und übertrieben.

Von der deutschen Bevölkerung sind ca. 5,5 Prozent Muslime, andere Schätzungen sagen 7 Prozent. Allerdings sind diese 5,5 Prozent das Resultat einer Verdopplung innerhalb von 20 Jahren. Und unter den Neugeborenen sind bereits 10 Prozent Muslime. Und Schätzungen besagen, dass 2050 30 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung Muslime sein werden. Das wird Deutschland mit Sicherheit verändern. Aber auch 30 Prozent könnten Deutschland nicht ›islamisieren‹, zumal die meisten Muslime in Deutschland das gar nicht wollen. Integrierte Muslime sagen nämlich: hoffentlich kommen nicht so viele aus unseren Heimatländern hierher, sonst wird es ja hier so wie zuhause. Eine solche Art von Islamisierung fürchten sie also.

Ebenso sicher ist freilich, dass es Muslime in Deutschland gibt, die erwarten, dass Deutschland, ja Europa auf lange Sicht muslimisch werden wird. Es sind gewaltige Anstrengungen namentlich in der Schule nötig, damit sich solche Ansichten in der nächsten Generation nicht verbreiten.

Es gibt nicht ›den Islam‹, denn auch diese Religion ist zersplittert in verschiedene Glaubensrichtungen, die sich zum Teil sogar bekämpfen, und zudem noch ethnisch zersplittert. Man muss aber leider feststellen, dass es unter den vielen Moscheevereinen, die oft von ihren Herkunftsländern finanziert und indoktriniert werden, keinen einzigen gibt, der einen liberalen Islam vertritt, der mit den zentralen Überzeugungen des Westens kompatibel ist, weil niemand ein solches Unternehmen finanziert. Hier muss noch sehr viel bedacht und geregelt werden.

Die Angst vor Ausländern ist in Deutschland dort am größten, wo es am wenigsten von ihnen gibt. Sachsen: 2,9 Prozent; Bayern: 10,3 Prozent; Berlin: 14,3 Prozent . Aber in München und Berlin mussten die Pegida-Demonstrationen mangels Beteiligung eingestellt werden. Offenbar sinkt die Angst vor Ausländern bei wachsender Erfahrung mit dem Ausländer nebenan.

Allerdings gibt es in einigen Großstädten im Westen und in Westberlin bereits Straßenzüge einer Parallelgesellschaft, in denen Polizisten zu hören bekommen: Macht euch fort, das hier ist unsere Straße. Dagegen hilft nur: umgehend Polizeiverstärkung anfordern, wie es ja auch Praxis ist. Übrigens sammeln sich in solchen Parallelgesellschaften immer diejenigen, die sich als Verlierer verstehen und in einer Art von Trotz nun die Integration verweigern zugunsten einer demonstrativen Rückwendung zu ihren Herkunftstraditionen, eine sehr bedenkliche Entwicklung, in der es zu Radikalisierungen in der zweiten oder gar dritten Generation kommen kann.

Manche sagen: die Franzosen und Briten haben in der Integrationspolitik völlig versagt, wir machen das alles jetzt besser. Dass uns das gelingt, ist noch nicht bewiesen. Derzeit gibt es die Ernüchterung, dass manche Migranten sehr viel anders reagieren als wir erwartet haben, nämlich nicht dankbar und integrationswillig. Denn sie sind oft mit Übererwartungen gekommen, die enttäuscht werden mussten. Wir haben sie wohl zunächst weithin nach dem Muster der Flüchtlinge gedeutet, die vor den Nazis um ihr Leben flohen. Wir pflegen ja nur von Flüchtlingen zu reden, obwohl weniger als die Hälfte derer, die da zu uns kommen, tatsächlich als Flüchtlinge anerkannt wird. Korrekter sprechen wir von Migranten.

Die gegenwärtigen Migrationsströme unterscheiden sich deutlich von früheren.

  1.  Verfolgte und Vertriebene waren bisher immer homogene Gruppen, Hugenotten, Böhmische Brüder, auch die Vertriebenen von 1945, auch die geflüchteten DDR-Bürger. Nun kommen sie aus vieler Herren Länder. Ausländer sind aber für andere Ausländer auch Ausländer. Deshalb gibt es nun neben dem Fremdenhass von Deutschen gegen Migranten zusätzlich den von Migranten gegen Migranten. Und kein einziger Hugenotte, Herrnhuter oder Vertriebener ist in zwei- bis dreihundert Jahren je auf die Idee gekommen, möglichst viele Unschuldige seines Gastlands umzubringen.
  2. Bisher sind arbeitsuchende Migranten wie die Ruhrpolen oder die Gastarbeiter sozusagen in den Arbeitskräftebedarf eingewandert. Sie wurden ja angeworben. Heute kommen sie nicht, weil unser Arbeitsmarkt nach ihnen ruft und sind großenteils für ihn zunächst und wohl auf sehr lange Zeit gar nicht qualifiziert. Die meisten Migranten der letzten Million haben keine abgeschlossene Berufsausbildung und sind zu einem exakt noch nicht erhobenen Anteil Analphabeten. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge will auch gar keine Berufsausbildung absolvieren, sondern braucht das schnelle Geld, um entweder ihre Schulden bei den Schleppern zu bezahlen oder ihren Großfamilien das erwartete Geld zu überweisen. Diese Überweisungen sind übrigens in den Herkunftsländern ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor und oft wirksamer als staatliche Entwicklungshilfe. Schätzungen über die Kosten der Migranten von 2015/16 divergieren stark. Manche rechnen über die nächsten 10 bis 20 Jahre allein für diese Million mit 150 bis 400 Milliarden minus per Saldo, also bei Berücksichtigung der Gewinne.
    Was wäre Berlin ohne die Hugenotten, heißt es. Da kamen aber berufliche Spezialisten aus dem damaligen Hochtechnologieland Frankreich in des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse mit Fertigkeiten, die hier in Sumpf und Sand unbekannt waren.
  3. Und die Anzahl der Immigrationswilligen ist diesmal unabsehbar. Aufgrund von Befragungen wird geschätzt, dass ca. 500 Millionen aus Nahost, Mittelost und Afrika nach Europa kommen würden, wenn sie könnten. Daraus ergibt sich zwingend, dass Europa die Immigration kontrollieren und regulieren muss. Wer offene Grenzen Europas für alle fordert, die kommen wollen, will einige bekannte Tatsachen nicht wahrhaben.
  4. Der derzeitige Immigrationsdruck auf Europa ist aber auch zeitlich unabsehbar. Bisher waren Migrationsschübe zeitlich begrenzt, weil Verfolgungen und Vertreibungen, aber auch der Bedarf an Gastarbeitern zeitlich begrenzt waren.
  5. In einer Ausnahmesituation wie einem Bürgerkrieg im Nachbarland oder einer Naturkatastrophe kann jedes Land sehr viele Flüchtlinge irgendwie aufnehmen, notfalls durch Zwangsbewirtschaftung auch des privaten Wohnraums, wie nach 1945. Aber solche Überforderungen kann kein Land auf Dauer ertragen. Angesichts eines unbefristeten Migrationsdrucks müssen unsere Aufnahmekapazitäten unter Bedingungen dauerhafter Normalität, also ohne Zusammenbruch der üblichen Abläufe in Rechnung gestellt werden. Und da hat sich ergeben: eine Million Migranten jährlich überfordert Deutschlands organisatorische Möglichkeiten bereits massiv und führt zudem zu schwer kalkulierbaren, überwiegend ablehnenden Reaktionen der einheimischen Bevölkerung. Das Argument der Organisation Oxfam, arme Länder würden viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als reiche, ist doppelt schief. Arm oder reich macht hier nicht den Unterschied, sondern Nähe und Ferne zu den Herkunftsländern. Die Nachbarn der zerfallenen Staaten bringen notgedrungen Hunderttausende als dauerhaftes Provisorium in quadratkilometergroßen Zeltlagern unter. Diese Lösung schließen wir für Deutschland aus. Oxfam unterstellt zudem, die beste Hilfe für Flüchtlinge sei, sie aus fernen Ländern zu uns zu holen. Aber stimmt das? Wir bezahlen für jeden Migranten, ehe er seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann, monatlich mehr als das jährliche Durchschnittseinkommen der Herkunftsländer (600 Euro). Von demselben Geld könnte in der Umgebung des Herkunftslands fünfzig Menschen geholfen werden statt einem bei uns. Als die (muslimischen) Rohingas aus Burma nach Bangladesh flohen, hat ein Politiker von Bündnis 90/Grünen gefordert, sie nach Deutschland zu holen. Der Vorschlag verschallte zu Recht. Denn sie wollen gar nicht tausende von Kilometern in ein Land mit fremder Sprache und Kultur verschifft werden, sondern unbehindert nach Hause. Hilfe für Flüchtlinge wird immer am besten und wirksamsten vor Ort, im Heimatland oder nahebei geleistet.

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